Die Automobilindustrie erlebt eine der tiefgreifendsten Transformationen ihrer Geschichte. Im Zentrum dieses Wandels stehen die sogenannten softwaredefinierten Fahrzeuge, auf Englisch Software Defined Vehicles (SDV). Dieser Begriff beschreibt eine neue Generation von Autos, die nicht länger primär durch mechanische Komponenten und Elektronik definiert sind, sondern durch Software.

Von der Mechanik zur Software
Traditionell waren Autos vor allem mechanische Wunderwerke. Motoren, Getriebe, Bremsen und Lenksysteme standen im Mittelpunkt der Entwicklung und Produktion. Doch mit der Digitalisierung und der fortschreitenden Vernetzung hat sich der Fokus verschoben. Heute spielen Sensoren, Steuergeräte und Software eine entscheidende Rolle. In einem Softwaregesteuerten Fahrzeug ist die Software nicht nur ein unterstützendes Element, sondern der Kern, der die Funktionen des Fahrzeugs definiert und steuert.

Ein prominentes Beispiel für diese Entwicklung ist Tesla. Der amerikanische Hersteller hat von Anfang an auf eine softwarezentrierte Architektur gesetzt. Tesla-Fahrzeuge sind in der Lage, über Software-Updates neue Funktionen zu erhalten oder bestehende zu verbessern, ohne dass physische Anpassungen am Fahrzeug notwendig sind. Dies reicht von Sicherheitsfunktionen über Autopilot-Updates bis hin zu Leistungssteigerungen des Antriebs. Diese kontinuierliche Weiterentwicklung per Software macht das Fahrzeug nach dem Kauf nicht nur besser, sondern kann auch seine Nutzungsdauer verlängern.

Ein weiteres Beispiel ist Volkswagen, das mit seiner ID.-Familie eine eigene Plattform für softwaregesteuerte Elektrofahrzeuge entwickelt hat. Der „Modularer E-Antriebs-Baukasten“ (MEB) ist dabei nicht nur eine technische Grundlage, sondern auch eine digitale Plattform, die es ermöglicht, neue Dienste und Funktionen flexibel zu integrieren. Der ID.3 und ID.4 sind erste Modelle, die von dieser Architektur profitieren und über die Lebensdauer des Fahrzeugs hinweg regelmäßig Software-Updates erhalten.

Vorteil Software: Flexibilität und Personalisierung
Softwaregesteuerte Fahrzeuge ermöglichen eine nie dagewesene Flexibilität und Personalisierung. Hersteller können Fahrzeuge auf den individuellen Bedarf der Kunden zuschneiden und diese Anpassungen sogar nach dem Kauf weiter verfeinern. In der Praxis könnte dies bedeuten, dass ein Fahrzeug unterschiedliche Fahrmodi anbietet, die je nach Nutzerprofil oder Einsatzgebiet automatisch angepasst werden.

Ein Beispiel hierfür ist das Drive Pilot-System von Mercedes-Benz. Dieses System, das im neuen EQS verfügbar ist, bietet Level-3-Autonomes Fahren, das heißt, das Auto kann in einem Stau selbst fahren und bremsen. Durch regelmäßige Updates kann Mercedes nicht nur die Fahrfunktionen verbessern, sondern auch neue Features hinzufügen, die den Komfort und die Sicherheit erhöhen. So wird der EQS zum digitalen Produkt, das sich kontinuierlich weiterentwickelt, ähnlich wie ein Smartphone.

Diese Personalisierung ist nicht nur ein technisches Gimmick, sondern eröffnet völlig neue Geschäftsmodelle. Hersteller könnten zum Beispiel zusätzliche Funktionen oder Leistungspakete gegen eine Gebühr freischalten. BMW experimentiert bereits mit solchen Modellen und bietet Features wie beheizte Sitze oder erweitertes Fahrerassistenzsysteme als kostenpflichtige Zusatzoptionen an, die über Software aktiviert werden können.

Autos als neue Smartphones
Ein entscheidender Faktor ist die Zusammenarbeit mit Technologieunternehmen. Automobilhersteller arbeiten zunehmend mit Softwarefirmen und IT-Dienstleistern zusammen, um die komplexen Anforderungen zu erfüllen. Ein Beispiel hierfür ist die Partnerschaft zwischen BMW und Microsoft, die auf die Entwicklung von cloudbasierten Diensten für die Fahrzeugflotte abzielt. Gemeinsam arbeiten sie an einer Plattform, die es ermöglicht, Fahrzeuge über die Cloud zu verwalten und Software-Updates effizient auszurollen.

Die Möglichkeit, Fahrzeuge über ihre gesamte Lebensdauer hinweg zu aktualisieren, eröffnet neue Einnahmequellen. Hersteller könnten Abonnementmodelle einführen, bei denen Kunden regelmäßig für Software-Updates oder Zusatzfunktionen bezahlen. Dies würde nicht nur die Kundenbindung stärken, sondern auch die Rentabilität der Fahrzeuge erhöhen.

Die Zukunft der Mobilität wird maßgeblich durch Software bestimmt sein. Softwaregesteuerte Fahrzeuge werden nicht nur die Art und Weise, wie Autos entwickelt und genutzt werden, revolutionieren, sondern auch das gesamte Ökosystem rund um das Auto verändern. Von der Energieversorgung über die Infrastruktur bis hin zur Kommunikation – alle Bereiche müssen sich an die neuen Anforderungen anpassen.

Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die Sicherheit. Da die neue Generation von Autos von Software abhängig ist, werden Cybersecurity-Maßnahmen immer wichtiger. Hersteller investieren bereits heute erheblich in den Schutz vor Hackerangriffen und die Sicherstellung, dass Updates sicher und zuverlässig aufgespielt werden können.

Letztendlich wird das Auto der Zukunft mehr sein als nur ein Transportmittel. Es wird zu einer digitalen Plattform, die kontinuierlich neue Funktionen und Dienste bietet. Dies wird nicht nur die Mobilität effizienter und komfortabler machen, sondern auch die Art und Weise, wie wir Fahrzeuge wahrnehmen und nutzen, grundlegend verändern. Die Ära der softwaregesteuerten Fahrzeuge hat begonnen und sie verspricht, die Automobilwelt auf den Kopf zu stellen.

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