Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet darüber, dass das Umweltbundesamt Gerechtigkeitslücken im deutschen Verkehrssystem sieht. Es sei weder umweltverträglich noch sozial gerecht. Der UBA-Präsident Dirk Messner ist aber überzeugt davon, dass es sich durch eine „Verkehrswende“ ändern könnte.
Dadurch, dass der Verkehrssektor bisher nicht genug zum Klimaschutz beiträgt, sei es schwer die Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen. Umweltschützer fordern eine Reduzierung des Autoverkehrs, beschleunigt durch eine Neuaufteilung des Straßenraums zugunsten von Fußgängern, Radfahrern, Bussen und Bahnen. Jedoch sind nicht alle Bürger davon begeistert. „Gleichzeitig ist aber der aufs Auto zentrierte Verkehr auch ungerecht für die Menschen, die zu Fuß, mit dem Rad oder Bus und Bahn unterwegs sind“, sagt Messner.
Autoren einer neuen Studie des Umweltbundesamtes kritisieren soziale Schieflagen des Verkehrssystems. Die weniger Wohlhabenden sollen das Klima oft weniger belasten, da sie ihr Auto weniger nutzen oder gar keins haben. Andererseits seien sozial Schwächere oft durch Luftverschmutzung und Lärm mehr belastet, da sie an vielbefahrenen Straßen wohnen. Laut Messner könnte die Elektromobilität die Kohlendioxid- und Stickoxid-Emissionen verringern, jedoch blieben Lärm- und Feinstaubprobleme, solange die gleiche Zahl an Autos auf den Straßen fährt. Außerdem beseitige die Elektromobilität auch nicht das Problem, dass ein Auto viel Platz im Straßenraum einnehme. Aus diesem Grund fordert das Umweltbundesamt die Zahl der Autos auf 150 je 1000 Einwohner zu reduzieren.
Messner setzt auf hohe Erwartungen in das autonome Fahren. Hier ließen sich Komfort und Flexibilität mit den Vorzügen der gemeinschaftlichen Nutzung (shared mobility) verbinden, was am Ende zu einem Rückgang der Autozahlen beitragen könnte, sagt er. Eine Reduzierung des Pkw-Verkehrs muss nach Messners Überzeugung nicht mit einer Einschränkung der Mobilität des Einzelnen einhergehen. Er vertraut auf mehr Zuspruch für Busse und Bahnen sowie das Radfahren, das gerade in der Corona-Zeit einen neuen Aufschwung nimmt.
Es überrascht eine Kenntnis der Studie damit, dass die Preise der ÖPNV über die Jahre deutlich stärker als die Kosten des eigenen PKW gestiegen sind. „Das hemmt den Umstieg fatal“, sagt Messner: „Hier müssen wir mehr Anreize durch Preisgestaltung setzen, etwa durch einen CO2-Preis.“
Die Corona-Pandemie – mit mehr Radverkehr, mehr Autoverkehr, aber deutlich weniger Bus- und Bahnverkehr – wird nach Auffassung von Messner an dem Projekt Verkehrswende „eine Schramme hinterlassen“. „Ich halte die Pandemie dennoch für eine Übergangssituation, die uns vielleicht noch 12 oder 18 Monate begleiten wird, bis wir sie global über Impfstoffe und Medikamente eingehegt haben. Spätestens dann werden wir die Verkehrswende-Debatte wieder führen wie vorher.“
Quelle: F.A.Z.